Archive for August, 2017

Autoindustrie muss Lehren aus dem Abgasskandal ziehen – Führungsverhalten und Kommunikation auf dem Prüfstand

Deutschlands Automanager stehen unter Feuer. In Politik und Publizistik überwiegen die Stimmen, die an Dieter Zetsche von Daimler, Harald Krüger von BMW und Matthias Müller von Volkswagen kein gutes Haar lassen. Während es von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe nur dröhnendes Schweigen zu den gesundheitlichen Auswirkungen des „Diesel-Skandals“ gibt, hat Bundesjustizminister Heiko Maas den deutschen Automanagern nun geraten, auf Boni zu verzichten – als Zeichen der Demut, wie dpa berichtet.

„Ein solcher Appell an die finanzielle Bescheidenheit der Bosse wird in Wahlkampfzeiten sicher gut ankommen. Mit Demut allein kommt die Autoindustrie aber nicht aus ihrem teilweise selbst herbeigeführten Schlamassel heraus“, kommentiert Michael Zondler, dessen Beratungsunternehmen CENTOMO https://www.centomo.de stark mit der Automobilindustrie verbunden ist.

„Wir Menschen neigen dazu, immer ein paar Schurken oder Übeltäter dingfest machen zu wollen. Indem ein Problem personalisiert wird, wird es für die Menschen leichter fasslich. Das Verhalten einiger Konzerne der Autoindustrie in der letzten Zeit hat in der Tat ein eklatantes Führungs- und Personalproblem offenbart. Der so genannte Abgasskandal ist aber von einer solch großen Tragweite, dass er nicht das Werk von einigen wenigen Managern ist. Allerdings sind Manager auch immer Vorbilder. Und hier haben durchaus einige versagt, weil an Eliten  – ob sie nun aus der Wirtschaft oder aus der Politik kommen – immer ein besonders hohes Maß angelegt wird. Dessen waren sich einige Auto-Bosse in ihrer Technikverliebtheit und auch im Wissen darum, welch wichtigen Beitrag ihre Industrie für den Wohlstand nicht nur dieses Landes leistet, nicht hinreichend bewusst“, so Zondler.

Zondler hat keine Zweifel daran, dass die deutsche Autoindustrie technisch gesehen gut für die Zukunft gerüstet ist. Doch an ihrem Verhalten und an ihrer Kommunikation müsse sich einiges ändern. Dies sieht auch NZZ-Kolumnist Gerhard Schwarz so https://www.nzz.ch/meinung/kolumnen/abgasskandal-totengraeber-der-marktwirtschaft-ld.1309253. Nur freiwilliges vorbildliches Verhalten in den Spitzenpositionen der Wirtschaft könne Vertrauen und Glaubwürdigkeit wieder zurückerobern. Er verweist auf den Volkswirtschaftsprofessor Hugo Sieber (1911-1990), nach dessen Worten der Wohlstand und die liberale Ordnung nicht so sehr von den Gegnern des marktwirtschaftlichen Systems – also den „Linken“ – gefährdet würden: „Bedrohlicher seien jene, die in hohem Maße von der Existenz freier Märkte profitierten, aber mit ihrem Verhalten die freie Marktwirtschaft in den Augen der Öffentlichkeit diskreditierten. Sieber nannte diese Unternehmensführer wortgewaltig ‚Totengräber‘ des Systems.“

„Wir können es uns aber nicht leisten, dass die deutschen Premiumhersteller irreparablen Schaden erleiden“, so Zondler. „In den Konzernen dürfen aber nicht mehr nur die Techniker und Ingenieure den Ton angeben, die manchmal einen Tunnelblick haben. Die Konzerne brauchen Top-Talente in Sachen Kommunikation und Überzeugungskraft. Nur so kann man den Ausweg aus dem Abgasskandal finden, und nur so lassen sich die Bürger, die ja auch Konsumenten sind, von der Mobilität der Zukunft, nämlich zum Beispiel dem autonomen Fahren, überzeugen.“

Nach dem Diesel-Gipfelchen: Klimaschutz ungeeignet für parteipolitisches Schaulaufen vor den Bundestagswahlen

Die derzeitige Debatte über den Diesel ist von Wahlkampfgetöse und kleinteiligem Aktionismus geprägt. Dabei böte sich jetzt die Chance, einmal ernsthaft und grundsätzlich über Mobilität, Umwelt- und Klimaschutz zu sprechen. Die technischen Innovationen stünden zur Verfügung. Was fehle, seien realistische Grenzwerte und ein Konzept aus einem Guss, sagt Michael Zondler, Geschäftsführer des Stuttgarter Beratungsunternehmens CENTOMO https://www.centomo.de.

„Das Diesel-Gipfelchen in Berlin war eine einzige Enttäuschung. Dies war aber auch nicht anders zu erwarten. Vor der Bundestagswahl am 24. September dieses Jahres wird es wahrscheinlich auch keine substanziellen Erfolge geben. Ich hoffe, dass sich die Autoindustrie und die Politik einmal ernsthaft zusammensetzen, wenn das Wahlkampfgetöse vorbei ist. Die Autoindustrie ist eine Schlüsselindustrie in Deutschland. Sie hat in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht. Aber es würde uns überhaupt nicht helfen, wenn man sie aus einem typischen deutschen Furor der Maßlosigkeit heraus nun zerstören würde. Dies dient vielleicht der ausländischen Autoindustrie, aber sicher nicht der Umwelt“, so Zondler.

Jetzt räche sich, so der CENTOMO-Chef, dass sich der Bundesverkehrsminister in den letzten Jahren nur mit der Maut beschäftigt habe. „Aus Personalersicht kann man sagen, dass Herr Dobrindt eine absolute Fehlbesetzung war, wenn es darum geht, die Mobilität in unserem Land voranzubringen. Er hatte einzig und allein den Auftrag des bayerischen Ministerpräsidenten, dessen Lieblingsthema Pkw-Maut rechtssicher zu machen. Zudem traut sich keine Partei so richtig daran, die heilige Kuh der wesentlich niedrigeren Steuer auf Diesel zu schlachten. Jetzt ist der größtmögliche Gau eingetreten: Der Staat hat eine Technologie steuerlich subventioniert, der er nun vielleicht mit Fahrverboten zu Leibe rücken muss. Dies versteht keiner und verunsichert die Kunden“, sagt Zondler.

Software-Updates verhindern keine Fahrverbote

„Deutsche Ingenieurskunst hat immer noch einen hervorragenden Ruf. Bei allen Fehlleistungen der deutschen Autoindustrie: Nicht wenige Experten und vor allem Kunden sind der Meinung, dass Deutschland die besten Autos der Welt baut. Mit Software-Updates allein ist es nicht getan. Wenn Fahrverbote vermieden werden sollen, dann müssten alle Diesel mit der Euro-Norm 4 und 5 in die Werkstätten zur Hardware-Nachrüstung. Dies müsste verbindlich per Nachweis der Werkstätten geregelt werden“, so Thomas von Löwis of Menar, Teamchef des Autorennstalls Four Motors http://www.fourmotors.com. Die umweltfreundlichen Rennautos von Four Motors werden unter anderem vom bekannten Rapper und Showstar Smudo gesteuert.

„Es ist ziemlich verlogen, nun nur die Autoindustrie an den Pranger zu stellen“, so der frühere DTM Pilot. „Selbstverständlich müssen die Autobauer ihre Hausaufgaben machen. Benzin- und Dieselfahrzeuge sind letztlich Auslaufmodelle. Der Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Aber ein Diesel der Euro-Norm 6 ist immer noch eine wichtige Brückentechnologie, auf die wir nicht von heute auf morgen verzichten können. Bei der Diskussion um den CO2- und NoX-Ausstoß dürfen wir aber nicht die emittierende Industrie und vor allem auch nicht die boomende Schifffahrt außer Acht lassen. Während in Autos Partikelfilter Vorschrift sind, dürfen die dicken Ozeanriesen immer noch den ganzen Dreck ungefiltert in die Luft blasen. Wir dürfen uns hier nicht länger hinter den nicht vorhandenen Umweltstandards von Kleinstaaten wie Liberia und  Panama verstecken, die bei der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO den Ton angeben.“

Ozeanriesen sorgen für dicke Luft

Nach Berechnungen des Automobilexperten Helmut Becker http://www.n-tv.de/wirtschaft/Der-Skandal-beim-Klimaschutz-article18932511.html stoßen die 15 größten Seeschiffe der Welt jährlich mehr schädliche Schwefeldioxide aus als die ganze Pkw-Flotte der Erde. Laut Naturschutzbund (Nabu) schaffe kein einziges der luxuriösen Kreuzfahrtschiffe die Abgasnorm, die für Autos oder Lastwagen schon lange gelten, so Becker. Ein einziger Ozeanriese auf einer Kreuzfahrt stoße so viele Schadstoffe aus wie fünf Millionen Pkw auf gleicher Strecke.

„Klimaschutz bleibt eine Daueraufgabe. Mit einem Diesel-Gipfelchen in Berlin, bloßen Absichtserklärungen und einer reinen Fokussierung auf die Autoindustrie wird man dieser Aufgabe nicht gerecht. Das Thema ist allerdings viel zu komplex für das öde parteipolitische Schaulaufen, das uns zurzeit die Umwelt- und Verkehrsminister liefern“, so Zondler.

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