Arbeit scheint „in“ zu sein. Zumindest bei der älteren Generation. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ging 2016 jeder Neunte in der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen einer Erwerbstätigkeit nach. Die Experten sind wie immer uneins, ob dies eine Folge zunehmender Altersarmut oder einfach dem Umstand geschuldet ist, dass sich mancher topfitte Senior noch etwas hinzuverdienen will.
Dass die Arbeitswelt derzeit insgesamt im Wandel ist, bestätigt der Personalexperte Michael Zondler vom Stuttgarter Beratungsunternehmen CENTOMO https://www.centomo.de. „Das Bild ist nicht einheitlich. Während in Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien oder Griechenland eine hohe Jugendarbeitslosigkeit herrscht, fehlt es in Deutschland aufgrund des politisch gewollten Akademisierungswahns inzwischen an Nachwuchs in einigen Ausbildungsberufen und speziell im Handwerk. Bei uns haben es Flüchtlinge, Menschen mit Migrationshintergrund, gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose schwer, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Doch dies sind Ausnahmen. Im April 2017 hatten wir erstmals 44 Millionen Erwerbstätige. Das heißt, es läuft nicht alles rund, aber doch viel richtig auf dem deutschen Arbeitsmarkt“, so Zondler.
Der CENTOMO-Chef stellt eine zunehmende „Machtverlagerung“ weg von den Arbeitgebern und hin zu den Arbeitnehmern fest. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schrieb in diesem Zusammenhang schon von der neuen „A-Klasse“. Zusehends diktierten die Angestellten die Bedingungen. Es gäbe höhere Gehälter, zusätzlichen Urlaub und mehr Freiheiten. „Die neue A-Klasse bedeutet nicht, dass nur A wie Akademiker den Ton angeben. Klar, viele Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder studieren. Doch die OECD liegt völlig falsch, wenn sie Deutschland für im internationalen Vergleich zu geringe Akademikerquote geißelt. Als Personaldienstleister in den Bereichen Automotive, Maschinenbau und Elektronik haben wir es durchgängig mit gut bzw. sehr gut verdienenden Klienten zu tun. Es gibt aber auch andere Akademiker – zum Beispiel aus den Geistes- oder Sozialwissenschaften – die gehaltsmäßig nicht mit einem gut verdienenden Handwerker mithalten können“, sagt Zondler.
Doch mit Geld allein lassen sich die Talente von heute oder morgen schon lange nicht mehr (allein) ködern. So berichtet der Spiegel, dass Großkanzleien schon seit Langem damit kämpfen, dass Junganwälte nach ein paar Jahren des Überstunden-Schiebens auf bequemere Jobs in der Industrie oder Justiz wechseln. „Weil Geld eben nicht alles ist und man nicht will, dass der eigene Nachwuchs das Wort Kita schneller über die Lippen kriegt als Mama und Papa. Wer gute Leute haben will, der muss ihnen auch zeitliche Flexibilität bieten“, betont der Personalexperte. Wer sich als Berufsanfänger für eine geregelte 40-Stunden-Woche in einer Top-Kanzlei entscheidet, erhält statt der üblichen 120.000 Euro bei voller Verfügbarkeit dann eben „nur“ 80.000 Euro.
„Angestellte sind anspruchsvoller geworden. Letztlich setzt jeder für sich die Prioritäten, ob beim Gehalt, beim Urlaub, der betrieblichen Altersversorgung oder sonstigen Angeboten eines Unternehmens in den Bereichen Sport oder Kinderbetreuung. Allerdings weist Sven Böll im Spiegel zu Recht darauf hin, dass die Bäume für die neue A-Klasse nicht in den Himmel wachsen. Wenn Arbeit zu teuer wird, dann werden Unternehmen noch mehr in Robotisierung und Digitalisierung investieren. Doch als Faustregel gilt, dass man umso ungefährdeter ist, je besser man qualifiziert und zur Fortbildung bereit ist. Schon jetzt ist absehbar, dass es für die sozial Abgehängten und schlecht Qualifizierten immer schwieriger sein wird, sich in diesem Arbeitsumfeld zu bewegen. Daher wird auf lange Sicht, davon bin ich überzeugt, eine Art Grundeinkommen unausweichlich sein. Sonst können wir den sozialen Frieden nicht erhalten“, so Zondler.
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